25. SONNTAG im Jahreskreis

EVANGELIUM nach Mathäus (20,1-16a)

 

Mit dem Reich Gottes ist es so … Mit dem Reich Gottes verhält es sich so … Mit dem Reich Gottes wirst du … Dann fügt Jesus meistens ein Bild oder eine Geschichte hinzu, um zu illustrieren, was er meint. Auf jeden Fall: In einer Welt, die nach Gottes Vorstellungen lebt, geht es anders zu als in unserer jetzigen Welt! Da verhalten Christen sich anders.

Was Jesus dann dazu erzählt, ist sehr oft überraschend, irritierend und oft ist es schwer, das so einfach zu schlucken. So auch im heutigen Evangelium. Dass einer, der nur ein paar Stunden gearbeitet hat, dafür genauso viel bekommt wie einer, der den ganzen Tag dafür geschuftet hat ... Wo kommen wir denn da hin? Ist dieser Jesus verrückt geworden? Ist er so welt- und lebensfremd?

Diese ganze Geschichte ist mit Absicht künstlich aufgebaut, denn in der Wirklichkeit kommt so etwas praktisch nicht vor. Aber Jesus macht es mit Absicht, denn er will aufrütteln, provozieren, damit wir zum Nachdenken kommen.

Es geht hier um ein Gerechtigkeitsdenken, um gerechte Entlohnung. In unserer Gesellschaft herrscht das Prinzip: Lohn nach Arbeit. Und das ist gut so, das ist gerecht. Deswegen sagt der Verwalter auch zu dem, der sich bei ihm beschwert: ‚Dir geschieht doch kein Unrecht! Haben wir uns nicht auf einen Denar geeinigt?“ Das Problem liegt also woanders.

Um das verstehen zu können, sollen wir wissen, dass ein Denar - diese römische Münze - damals gereicht hat, um einer Kleinfamilie die Existenz für einen Tag zu sichern. Ein Denar hat gerade gereicht, Frau und Kinder für einen Tag zu versorgen. Am nächsten Tag mussten alle also wieder am Markt erscheinen und hoffen, dass sie angeheuert werden. Das war das Schicksal der Tagelöhner. Feste Anstellungen mit Tarifvertrag, betrieblicher Altersversorgung und Rechtsschutz waren noch nicht erfunden, auch noch nicht erkämpft. In unzähligen Ländern der Welt ist das heute immer noch so: keine geregelte Festanstellung, kein sicheres Einkommen, sondern Tag für Tag aufs Neue warten und hoffen, dass es am Ende des Tages reicht.

Das Modell hier heißt: Tagelöhner. Die einen werden genommen, die anderen nicht. Die einen hatten einen ganzen Tag zu tun, die anderen kamen nur auf ein, zwei Stunden. Zu Hause warteten Frau und Kinder. Man lebte von einem Tag zum anderen. Perspektive für die Zukunft? Ungewiss. Wer warten muss, wer nicht gleich dran kommt, lungert notfalls den ganzen Tag herum, muss aber präsent sein, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Und warten. „Niemand hat uns angeworben“, sagen die, die um die 11. Stunde engagiert werden. Sie wollten arbeiten, aber sie wurden nicht gefragt. Auch heute gibt es viele Menschen, die auf den Arbeitsmärkten nicht mehr „vermittelbar“ sind, weil sie zu alt sind, weil sie psychisch labil oder nicht belastbar sind, weil sie geflüchtete Menschen sind, die sich zwar einbringen (sprich: integrieren) möchten, aber nicht arbeiten dürfen. Da kommt unser Gerechtigkeitsdenken zu kurz, da funktioniert das Prinzip „Lohn nach Arbeit“ nicht mehr. Da wird auf ein Grundrecht, auf Menschenrechte vergessen: Jeder Mensch hat Recht auf ein menschenwürdiges Leben.

Der Gutsbesitzer handelt danach. Er denkt da sehr sozial - er schaut auf die Bedürftigkeit der eingestellten Leute und sorgt dafür, dass auch diejenigen, die nur ein paar Stunden arbeiten konnten, die nicht die Chance gehabt haben, einen ganzen Tag angestellt zu werden, trotzdem - wenigstens an diesem Tag - ihrer Familie etwas zu essen geben konnten. Er sorgt um Gerechtigkeit auch für die, die keine Chance haben „Erste zu werden“.

Im Reich Gottes, in der neuen Welt Gottes, werden auch die Letzten Erste sein. Gott schaut gerade auf die, die im System zu kurz kommen. Das ist die wahre Gerechtigkeit, für die Jesus mit seinem konstruierten Beispiel sensibel machen will. Das ist christliches Denken und Handeln. Es ist deswegen zutiefst unchristlich, was man in diesen Tagen so oft hört: Zuerst an die eigenen Leute denken und sich um die kümmern. Es geht nicht um „Entweder-oder“, sondern um „Sowohl-als-auch“. Die heutige Botschaft von Jesus ist ja sehr aktuell! Im Reich Gottes, in einer Welt im Sinne Gottes, soll wirklich niemand zu kurz kommen. Und dafür sollen wir uns als Christen einsetzen.

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